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An Nellys siebtem Geburtstag fehlen die Marzipantiere auf der Torte. Mama schläft einfach weiter ohne zu gratulieren, und Papa macht ein trauriges Gesicht. In der Nacht sieht Nelly ihre Mama weinen. Nellys Mama hat erfahren, dass sie Krebs hat. Für die Familie beginnt eine Zeit der Veränderung, in der Nelly Trauriges und Irritierendes, aber auch aufregend Neues erlebt. Sie erfährt, dass sie sich auf die Zuneigung und Aufrichtigkeit der Eltern verlassen kann und dass ihre Beziehungen innerhalb und außerhalb der Familie sicher und tragfähig sind.
•...Wenn die Bäume fast keine Blätter mehr haben und es immerzu regnet, dann freue ich mich, denn dann kommt bald mein Geburtstag.
Da wache ich morgens auf und denke: „Jetzt ist es so weit – heute habe ich Geburtstag!“ Ich kann es immer kaum glauben, obwohl es doch jedes Jahr einmal wirklich so ist. Schnell springe ich aus dem Bett und ins Wohnzimmer, wo ich meine Geschenke finde. Dann laufe ich weiter in die Küche, und dort steht auf dem Frühstückstisch ein Schokoladenkuchen, den Mama gebacken hat. Auf dem Kuchen sind kleine Tiere aus Marzipan, die auch Mama gemacht hat. Das sieht schön aus, und die Tiere stehen so im Halbkreis auf dem Kuchen, als ob sie mir alle gratulieren wollten. Mama und Papa kommen aus ihrem Bett und umarmen mich. Ich glaube, sie sind an meinem Geburtstag auch ein bisschen aufgeregt, denn sie sind gar nicht so verschlafen wie sonst, sondern ganz wach und packen mit mir die Geschenke aus und freuen sich.
Ich dachte, so würde es immer sein, wenn ich Geburtstag habe, bis ich erwachsen bin. Aber dann war es einmal doch ganz anders.
Das war vor drei Jahren, als ich sieben Jahre alt wurde. Ich war wieder ganz früh aufgestanden und ins Wohnzimmer gelaufen. Da lagen sie, die Pakete mit meinen Geschenken. Und in der Küche stand mein Geburtstagskuchen mit seinem Überzug aus Schokolade – aber wo waren die Marzipantiere? Es war kein einziges Tier auf dem Kuchen, nicht einmal das winzig kleinste Schweinchen. Hatte Mama sie vielleicht nur noch nicht aufgestellt, und sie warteten hier irgendwo in der Küche? Ich schaute mich um, aber ich konnte sie nicht entdecken.
Da kam Papa und umarmte mich.
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Die Autorin PD Dr. Kerstin Hermelink, Dipl.-Psychologin und Psychoonkologin an der Frauenklinik Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität München, betreut Krebspatientinnen, darunter auch Mütter mit kleinen Kindern.
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